"Nur wer eine gute Balance zwischen privater und beruflicher Lebenswelt hat, kann dauerhaft gute Leistung bringen und motiviert sein."

 

Perdita Wingerter, Inhaberin von IQM Wingerter, Projektbüro für Informations- und Qualifizierungsmanagement, über ihre Erfahrungen zum Thema Familienfreundlichkeit

 

perditaFamilienfreundlichkeit ist für mich eine Selbstverständlichkeit, schließlich sind Familien ein natürlicher Teil unseres Lebens. Nur wer eine gute Balance zwischen privater und beruflicher Lebenswelt hat, kann dauerhaft gute Leistung bringen und motiviert sein. Und da spreche ich aus eigener Erfahrung: ich habe bei der Geburt zweier Kinder bis auf die gesetzlichen Mindestzeiten nie beruflich ausgesetzt. Aber die Existenz meiner Kinder und meine sehr gute Partnerschaft haben immer dafür gesorgt, dass ich schnell und effektiv arbeite. Ich treffe schnell Entscheidungen, organisiere die Arbeit straff und zeiteffektiv und bei jedem Termin, jeder Sitzung frage ich mich: ist dies es wert, dass ich nicht bei meinen Kindern und meinem Partner bin? Daher vermeide ich – wo es geht – Abend- oder Wochenendtermine, lege Sitzungen auf den frühen Nachmittag und ziehe diese effektiv durch, bei Entscheidungen höre ich mir die Für und Wider an und treffen dann aber sofort eine Entscheidung, die dann umgesetzt wird. Fehlentwicklungen stoppe ich sofort und lasse den Plan B oder C in Kraft treten.

 

Aber Familienfreundlichkeit betrifft natürlich auch meine Mitarbeiter/innen und Praktikanten. Je nach Projekt habe ich zwischen 2-6 Mitarbeiter. In meiner letzten Beschäftigung als Geschäftsführerin kamen wir bei 6 Mitarbeiter/innen auf eine Kinderzahl von 18 und das hat uns nie daran gehindert, ein sehr effektives Team zu sein. Für Mitarbeiter mit Familien gilt bei mir grundsätzlich Gleitzeit. Wir praktizieren sämtliche Arbeitszeit- und Arbeitsmodelle: Teilzeit zwischen 4-35 Stunden, alternierende Telearbeit, Arbeitszeitkonten etc. Bei Terminen und Krankheit der Kinder sind Verschiebungen der Arbeitszeit oder –tage fast immer möglich. Im Notfall kann man seine Kinder auch mitbringen. In meinem Büro gibt es eine Krabbeldecke und eine Kiste mit Spielsachen und Büchern für die Altergruppen 0 – 13, auf 2 Rechner sind Computerspiele installiert. Bei uns gibt es auch die Möglichkeit, Windeln zu wechseln, wir haben sogar ein Windelnotfallset da.  Mit einer Mitarbeiterin kooperiere ich in Notfällen auch immer mit der Kinderbetreuung: sie nimmt in Notfällen meine Kinder bzw. ihre Kinder können zu uns und unserem Au-Pair wenn es notwendig ist.

 

Meine wichtigste Mitarbeiterin wurde schwanger. Das war schon ein Schock, da sie schon 3 kleine Kinder hatte. Aber gemeinsam haben wir es organisiert, dass sie nach den Mindestfristen wieder stundenweise nach 8 Wochen einstieg und die Stunden nach und nach erhöhte. Auch während der Schutzfristen schaute sie immer mal wieder vorbei, nahm an Sitzungen teil, um immer auf den aktuellsten Stand zu bleiben. So musste ich auf ihr Fachwissen und Know-How zu keinem Zeitpunkt völlig verzichten.

 

Familienfreundlichkeit und „Personal“freundlichkeit ist aber immer auch eine Frage der Arbeitsorganisation und dem Selbstverständnis von Führung. Ich erwarte von meinem Mitarbeiter/innen selbstständiges Denken und Arbeiten: gemeinsam besprechen wir, was bis wann mit welchen Ressourcen (Zeit, Geld, Arbeitsstunden) erledigt werden muss. Das „wie“  ist  mir grundsätzlich egal, wenn das Ergebnis stimmt. Und ich verwechsle Präsenz und Überstunden nicht mit Leistung. Wenn das Resultat  stimmt und frist- und budgetgemäß erledigt wird, dann ist mir das egal wo, wann, in welchen Zeiträumen die Arbeit erledigt wird.

 

Das liegt vielleicht auch an meiner Einstellung: Menschen, die sich keine Zeit für ihre Familien, Partner, Freunde und eigenen Interessen nehmen bedaure ich, denn die reine Reduzierung auf Arbeit und berufliche Erfolge macht die Menschen in meinen Augen ärmer. Das Private ist ein Ort, wo man auftanken kann, wieder ins Lot kommt, Bereicherung und Inspiration erfährt sowie die Dinge, die im Beruf ablaufen, wieder richtig von ihrer Wertigkeit einordnen kann. Und diese positive Kraft und Energie aus dem Privaten tragen die Menschen dann auch in die Arbeit.

Und mein persönlicher Erfolg und meine Erfahrungen mit den Mitarbeitern gibt mir Recht:

Bis auf eine Mitarbeiterin (die übrigens noch keine eigene Familie hatte!) gab es null Fehlzeiten und Krankheitstage bei meinen Mitarbeiter/innen. Wenn Veranstaltungen oder dringende Termingeschäfte da waren, waren immer alle da – auch an den Wochenenden, bis Mitternacht etc.. Sie haben das immer organisiert bekommen und freiwillig gemacht.

 

Grundsätzlich ist zu sagen: Familienfreundliche Personalpolitik ist immer eine Frage des Wollens. Ich muss die Existenz und die Bedürfnisse des privaten Lebens in meinem eigenen Leben und  in dem meiner Mitarbeiter/innen bejahen und dem Raum lassen. Familienfreundliche Maßnahmen lassen sich auch schnell und unkompliziert umsetzen, wenn ich die Arbeit und Ressourcen klar und deutlich definiere und meinen Mitarbeiter/innen die Verantwortung überlasse und nur die Ergebnisse kontrolliere. Und eines ist sicher: bei beruflichen Misserfolgen, dem Verlust der Arbeit etc. sind es letztendlich nur die Familie, der Partner/die Partnerin und die Freunde, die mich halten und zu mir stehen.

 

Link auf meine Webseite: www.iqm-wingerter.de


Foto von Jantje Ohlroggen

 

"Aufgrund des vorhandenen Eltern-Kind-Arbeitszimmers sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TK nicht mehr gezwungen, bei einem Ausfall der regulären Betreuung, zu Hause zu bleiben."

 

Jantje Ohlroggen, Gleichstellungsbeauftragte der Techniker Krankenkasse, über das Eltern-Kind-Arbeitszimmer

 

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